Verfassungsbeschwerde wegen fehlender Rohmessdaten bei Geschwindigkeitsmessung erfolglos

Geschwindigkeit

Mit dem am 14. Juli 2023 veröffentlichten Beschluss (2 BvR 1167/20 vom 20. Juni 2023) hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, mit der sich der Beschwerdeführer gegen die gerichtliche Festsetzung eines Bußgeldes wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung wendet. Er sah sein Recht auf ein faires Verfahren missachtet, weil das eingesetzte Messgerät keine „Rohmessdaten“ speichere und damit im Bußgeldverfahren ein nicht überprüfbares Messergebnis verwertet worden sei. Die Ablehnung der Verfassungsbeschwerde ist auch aus kommunaler Sicht ein wichtiges Zeichen, dass standardisierte Messverfahren eine rechtssichere Grundlage für Bußgeldverfahren bilden, auch wenn keine Rohmessdaten vorliegen.

Mit Bußgeldbescheid vom März 2019 wurde gegen den Beschwerdeführer wegen einer vorgeworfenen Geschwindigkeitsüberschreitung eine Geldbuße festgesetzt. Hiergegen legte er Einspruch ein und beantragte gegenüber dem Amtsgericht u. a. die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, dass bei dem zum Einsatz gekommenen Messgerät des Typs Leivtec XV3 die Möglichkeit ausgeschlossen sei, die Messung durch ein Sachverständigengutachten überprüfen zu lassen, sodass die Anerkennung als standardisiertes Messverfahren nicht mehr in Betracht komme. Zur Begründung führte er aus, dass das Gerät die Rohmessdaten bzw. die Messdaten der gesamten Messung nicht speichere; dadurch werde ihm die Möglichkeit genommen, die bestehenden hohen Anforderungen an einen Vortrag zu Messfehlern zu erfüllen. Das Amtsgericht lehnte den Beweisantrag ab und verurteilte den Beschwerdeführer 2020 zu einer Geldbuße. Die festgestellte Ordnungsmäßigkeit der Messung begründete das Amtsgericht damit, dass die Messung mit dem von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) zugelassenen mobilen Geschwindigkeitsmessgerät durchgeführt worden sei. Nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung handele es sich um ein standardisiertes Messverfahren. Die Beweisaufnahme habe keine Anhaltspunkte für Zweifel an der Ordnungsgemäßheit der Messung ergeben. Den hiergegen eingelegten Beschwerdezulassungsantrag des Beschwerdeführers verwarf das Oberlandesgericht mit ebenfalls angegriffenem Beschluss im Mai 2020.

Der Beschwerdeführer sieht sich insbesondere in seinem aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) folgenden Recht auf ein faires Verfahren verletzt, weil das eingesetzte Messgerät keine sogenannten „Rohmessdaten“ speichere und damit im Bußgeldverfahren ein nicht überprüfbares Geschwindigkeitsmessergebnis verwertet worden sei.

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der Beschwerdeführer eine Grundrechtsverletzung nicht hinreichend substantiiert dargelegt habe. Nach der Rechtsprechung des BVerfG hat der Betroffene in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren grundsätzlich einen Anspruch auf Zugang auch zu bei der Bußgeldbehörde vorhandenen, aber nicht zur Bußgeldakte genommenen Informationen. Der Beschwerdeführer meint jedoch, der aus dem Grundsatz des Rechts auf ein faires Verfahren resultierende Gedanke der Waffengleichheit gebiete es darüber hinaus, dass die zuständigen Behörden nur Geräte einsetzen, die sogenannte „Rohmessdaten“ erheben. Er legt insofern aber nicht substantiiert dar, dass aus dem verfassungsrechtlich verankerten Recht auf ein faires Verfahren auch eine staatliche Pflicht folgt, potentielle Beweismittel zur Wahrung von Verteidigungsrechten vorzuhalten beziehungsweise zu schaffen.

Mit ebenfalls am 14.07.2023 veröffentlichten Beschlüssen hat das BVerfG zwei ähnlich gelagerte Fälle entschieden, in denen Geschwindigkeitsmessgeräte der Typen PoliScan M1 HP (Az. 2 BvR 1082/21) und TraffiStar S350 (Az. 2 BvR 1090/21) zum Einsatz kamen.

Anmerkung:

Die Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde legitimiert die Anwendung standardisierter Messverfahren bei der Geschwindigkeitsüberwachung weiter. Somit ist nun auch die Frage der Zulässigkeit von Geräten, die keine Rohmessdaten speichern, geklärt. Das BVerfG hatte bereits 2020 festgestellt, dass geblitzte Autofahrer alle Unterlagen einsehen dürfen, die in ihrem Bußgeldverfahren eine Rolle spielen könnten. Andernfalls sei laut deren Recht auf ein faires Verfahren verletzt (Az.: 2 BvR 1616/18).

13.09.2023